Pelvic Liberation: Dein Beckenboden als Fundament deiner Kraft

Der Beckenboden wird oft auf Rückbildung reduziert – als etwas, das man „nach der Geburt wieder in Ordnung bringen“ muss. Aber das greift viel zu kurz.
Denn der Beckenboden ist viel mehr: ein tief liegendes, kraftvolles Zentrum für Stabilität, Aufrichtung, Atmung und Corekraft.
Ein Bereich, der oft übersehen wird – aber zentral ist, wenn du dich in deiner Yoga-Praxis wirklich verbunden, stark und geerdet fühlen willst.

Mythos: „Anspannen was das Zeug hält“

Viele glauben, der Beckenboden müsse nur regelmäßig „angespannt“ werden – und schon sei alles im Lot.
Was dabei oft übersehen wird: Ein Muskel ist nur dann funktional, wenn er anspannen und loslassen kann.

Ein übermäßig gespannter Beckenboden (Hypertonus) ist kein Zeichen von Kraft – sondern oft ein Schutzmechanismus. Und er kann zu Beschwerden führen wie:

  • Rückenschmerzen

  • Verdauungsprobleme

  • Inkontinenz trotz „Training“

  • Druckgefühl im Becken

  • Schmerzen beim Sitzen oder beim Sex

Auch die Praxis von Mula Bandha im Yoga – wenn dauerhaft eingesetzt – kann Spannungen verstärken. Was fehlt, ist die Integration in das natürliche Atem- und Bewegungssystem. Genau da setzen wir an.

Atmung & Beckenboden – ein dynamisches Duo

Zwerchfell und Beckenboden arbeiten zusammen – wie ein eingespieltes Team.
Bei der Einatmung senkt sich das Zwerchfell, der Beckenboden gibt nach. Bei der Ausatmung hebt er sich sanft wieder an. Diese rhythmische Bewegung passiert idealerweise automatisch – wenn dein Atemraum funktional ist.

Problematisch wird es, wenn du flach oder hauptsächlich in den oberen Brustkorb atmest. Dann gerät das System aus dem Gleichgewicht:

  • Der Beckenboden bleibt in Spannung

  • Die Organe verlieren Beweglichkeit

  • Der Druck verteilt sich ungünstig

💡 Check für dich:
Lege die Hände seitlich an deine Rippen. Atme. Bewegt sich dein Brustkorb? Oder hebst du nur die Schultern?
Und: Wie steht dein Becken dabei?

Haltung & Beckenboden: Mehr als nur eine schöne Aufrichtung

Die Haltung beeinflusst direkt, wie dein Beckenboden arbeiten kann.
Viele Rückenschmerzen entstehen nicht durch „zu wenig Kraft“, sondern durch ungünstige Druckverhältnisse im Körper.

Wenn du dein Becken zu stark nach hinten kippst (klassisch: „Steißbein zum Schambein ziehen“), verlierst du:

  • die natürliche Kurve in der Lendenwirbelsäule

  • die federnde Tensegrity-Struktur

  • die neutrale Position des Beckenbodens

👉 Eine leichte Beckenkippung nach vorn kann funktionaler sein – vor allem, wenn du viel sitzt oder im Yoga zu sehr „flach ziehst“. Beobachte mal, wie du im Alltag stehst: an der Kasse, in der Küche, beim Zähneputzen.

Hyperton oder hypoton? Finde deinen Beckenboden-Typ

Ein funktionaler Beckenboden ist elastisch. Er kann sich auf- und abspannen – schnell, präzise und angepasst. Ist das nicht der Fall, liegt entweder zu wenig oder zu viel Spannung vor.

Hypoton (zu wenig Spannung):

  • Gefühl von Instabilität im Becken

  • Urinverlust beim Niesen oder Husten

  • wenig Spürbewusstsein für den Bereich

Hyperton (zu viel Spannung):

  • Festes, dauerhaft angespanntes Gefühl

  • Schmerzen beim Sitzen, Sex oder im unteren Rücken

  • starke Hüftbeuger- oder Kieferverspannung

  • Gefühl von innerer Unruhe oder Übererregung

Wichtig: Inkontinenz kann in beiden Fällen auftreten.
Wenn du häufig festhältst – körperlich oder emotional – lohnt es sich, genauer hinzuschauen.

Nervensystem & Beckenboden: Wenn der Körper Schutz speichert

Der Beckenboden ist nicht nur muskulär aktiv – er ist auch ein Spiegel deines Nervensystems.
Stress, Trauma, Überforderung – all das kann sich in chronischer Spannung zeigen.

In der Yoga-Therapie arbeiten wir nicht mit Druck, sondern mit Sicherheit und Regulation. Kein erzwungenes „Loslassen“, sondern:

  • Sanfte Yin-Positionen mit viel Unterstützung

  • Atemräume, die weich und frei werden dürfen

  • Spannung in angrenzenden Regionen lösen (Hüfte, Beine, Rücken)

  • Zeit. Und Vertrauen.

Der Körper lässt los, wenn er sich sicher fühlt. Nicht, wenn du ihn dazu zwingst.

Corekraft beginnt im Becken – nicht im Bauch

Echte Corekraft entsteht nicht durch Planks oder Crunches.
Sie entsteht durch das Zusammenspiel von:

  • Beckenboden

  • Zwerchfell

  • Transversus abdominis (tiefe Bauchmuskulatur)

  • Multifidi (tiefe Rückenmuskulatur)

Viele trainieren oberflächlich – und erzeugen dabei Druck nach unten.
Was sie nicht wissen:
Dieser Druck belastet den Beckenboden. Gerade bei bestehender Schwäche oder Prolaps-Gefahr kann das problematisch werden.

Alternative:
Arbeite mit dem Druck – nicht gegen ihn.
Lerne hypopressive Atemtechniken, in denen du Unterdruck aufbaust, statt nach unten zu pressen.
So entlastest du den Beckenboden – und stärkst ihn trotzdem.

Fazit: Der Beckenboden ist das Fundament deiner Kraft

Wenn du beginnst, deinen Beckenboden nicht nur zu trainieren, sondern wirklich zu verstehen – dann wird er vom Reparaturprojekt zum Ressourcenzentrum.

Er zeigt dir, wie du atmest, wie du stehst, wie du dich im Leben bewegst.
Und er erinnert dich daran: Stabilität kommt nicht durch Festhalten, sondern durch Verbindung.

Ich selbst habe keine Kinder – und trotzdem ist der Beckenboden für mich ein Schlüssel in der Arbeit mit Klient:innen und in meiner eigenen Praxis. Denn wenn wir verstehen, wie stark diese Muskelgruppe mit anderen Systemen wie Atmung, Nervensystem und Core zusammenhängt, ändert sich unser Zugang grundlegend. Es geht nicht um isoliertes „Trainieren“, sondern um Verbindung, Regulation und funktionale Kraft.

Warum Anspannen nicht automatisch hilft

Der Klassiker: „Du musst den Beckenboden einfach regelmäßig anspannen – dann wird er schon stärker.“ Klingt logisch, ist aber oft kontraproduktiv. Viele Menschen erleben keine Verbesserung, obwohl sie „trainieren“. Warum?

Weil der Beckenboden kein Muskel ist, der isoliert einfach „fester“ werden soll. Vielmehr braucht er:

  • Elastizität – die Fähigkeit, sich zu dehnen und zu entspannen

  • Reaktivität – er muss auf Druck, Bewegung und Atem dynamisch reagieren

  • Koordination – im Zusammenspiel mit anderen Muskeln des Core-Systems

  • Regulation – vor allem über das Nervensystem

Ein Beckenboden, der dauerhaft angespannt ist, verliert genau diese Eigenschaften. Statt Kraft entsteht Spannung – und damit auch oft Beschwerden.

Atmung & Beckenboden – ein unterschätztes Duo

Was viele nicht wissen: Der Beckenboden ist eng mit unserer Atmung gekoppelt. Bei jedem Atemzug bewegen sich Zwerchfell und Beckenboden gemeinsam – im Idealfall.

  • Bei der Einatmung senkt sich das Zwerchfell → der Beckenboden gibt elastisch nach.

  • Bei der Ausatmung hebt sich der Beckenboden leicht an.

Diese feine, reflektorische Bewegung hält das Gewebe lebendig und funktional. Doch viele Menschen atmen zu flach oder nur in den oberen Brustkorb. Das unterbricht den natürlichen Rhythmus – und der Beckenboden „erstarrt“ in Spannung oder verliert seine Funktion.

💡 Mini-Check: Lege eine Hand auf dein Becken oder den unteren Bauch – spürst du Atembewegung dort?

Hyperton oder hypoton? Zwei Extreme, ein gemeinsames Problem

Ein funktionaler Beckenboden bewegt sich zwischen Spannung und Entspannung. Doch viele Menschen neigen zu einem der beiden Extreme:

Hypotoner Beckenboden (zu wenig Spannung):

  • Gefühl von Instabilität, v. a. beim Stehen oder Tragen

  • Urinverlust beim Husten, Niesen oder Lachen

  • „Flacher“ Bauch ohne Spannung, wenig Spürbewusstsein im Becken

Hypertoner Beckenboden (zu viel Spannung):

  • Schmerzen im Beckenbereich oder beim Sex

  • Druck- oder Spannungsgefühl beim Sitzen

  • Verspannte Hüftbeuger, Becken, oft auch Kiefer & Schultern

  • Schwierigkeit, wirklich loszulassen – körperlich & emotional

Viele Menschen mit Hypertonus glauben fälschlicherweise, ihr Beckenboden sei zu schwach, weil er sich „unbeweglich“ oder „blockiert“ anfühlt. In Wahrheit ist oft zu viel Spannung das Problem – vor allem bei Menschen mit hohem Stresslevel, innerer Unruhe oder perfektionistischem Verhalten.

Haltung: Wie du stehst, bestimmt, wie dein Beckenboden arbeitet

Unsere Haltung beeinflusst nicht nur die äußere Erscheinung, sondern auch den inneren Druck im Bauchraum – und damit den Beckenboden. Eine funktionale Haltung bringt Rippen, Becken und Füße in eine Linie („Stacking“) und ermöglicht ein effizientes Zusammenspiel zwischen Atem, Core und Beckenboden.

Typische Fehlhaltungen und ihre Auswirkungen:

  • Becken kippt nach vorne: Überlastung des vorderen Beckenbodens, oft mit Zug auf die Leisten

  • Becken kippt nach hinten: Druck auf Kreuzbein, unterer Rücken, hinterer Beckenboden wird überfordert

  • Aufgerichtete, aber überkorrigierte Haltung: Atem blockiert, Spannung steigt, Beckenboden kann nicht reagieren

💡 Haltung ist nichts Statisches. Sie verändert sich mit Stimmung, Atmung, Tagesform – und genau deshalb lohnt es sich, sie regelmäßig bewusst wahrzunehmen.

Nervensystem & Beckenboden: Wenn Schutzmuster mitspielen

Der Beckenboden ist ein Spiegel des autonomen Nervensystems. Bei Gefahr oder Stress reagieren wir mit Spannung – oft unbewusst. Der Beckenboden „zieht sich zurück“, genau wie wir innerlich.

Gerade bei chronischem Stress, emotionalem Druck oder sogar traumatischen Erfahrungen kann der Beckenboden in einen dauerhaften „Schutzmodus“ rutschen. Das hat Auswirkungen auf:

  • Beweglichkeit

  • Durchblutung

  • Lust- und Körperempfinden

  • Verdauung & hormonelle Regulation

Was hilft? Kein forciertes „Loslassen“, sondern sanfte Regulation über:

  • Längeres Ausatmen

  • Berührung & Körperkontakt

  • Rhythmische, ruhige Bewegung

  • Stimme, Summen, Tönen

Beckenboden & Core: Funktion vor Kraft

Der Beckenboden ist Teil deines tiefen Core-Systems – gemeinsam mit Zwerchfell, transversus abdominis und tiefen Rückenmuskeln. Dieses System arbeitet reflektorisch – nicht willentlich.

Viele starten mit Core-Übungen, die zu intensiv oder zu eindimensional sind. Doch ohne funktionalen Beckenboden geht echte Core-Stabilität nicht.

👉 Der Weg zu funktionaler Kraft beginnt mit:

  • Bewusstem Atem

  • Spürverbindung zum Becken

  • Aufgerichteter Haltung

  • Koordination statt Kompensation

 

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